Wir schreiben das Jahr 1972. Ein paar Klassenkameraden und ich stehen in dem kleinen Waldstück in der Nähe der Schule. Verstohlen blicken wir uns nach allen Seiten um. Ok, keiner zu sehen. Da holt einer der Jungen eine kleine Schachtel Zigaretten aus seiner Schultasche. Es war eine der Packungen, in der nur 5 Stück sind. Die sind vom Taschengeld bezahlt. Die anderen kramen in ihren Hosentaschen nach Kleingeld. Und schließlich gibt jeder dem „Verkäufer“ seine 10 Pfennig für jeweils eine Zigarette. Ein anderer hat auch die Streichhölzer dabei. Es dauert nicht lange und alle stecken sich ihre Zigarette an und paffen los. Auf Lunge ziehen traut sich noch niemand. Jeder Angst davor zu husten und damit als Weichei dazu stehen. Ich sehe zu und bewundere meine Mitschüler. Selbst traue ich mich noch nicht. Es kursieren Gerüchte, dass einem beim ersten Mal schlecht werden kann und man sich übergeben muss. Oder noch schlimmer, man kann Durchfall davon bekommen. Sollte mir so etwas passieren, müsste ich mir das Leben nehmen, weil ich nach so einer Peinlichkeit niemandem mehr unter die Augen treten könnte. Und da ich am Leben hänge und noch viel vorhabe, verschiebe ich meine erste Erfahrung mit der Zigarette auf später.

Tag X: ich habe mir eine Zigarette aus der Schachtel meiner Mutter „geliehen“. Es ist niemand zuhause und ich gehe mit meiner Errungenschaft ins Badezimmer, setze mich auf die Toilette und stelle einen Eimer vor mich hin. Ich bin vorbereitet. Mit einem Streichholz zünde ich meine erste Zigarette an. Irgendwas musste ich falsch gemacht haben. Jedenfalls huste ich mir die Lunge aus dem Hals und empfinde noch mehr Bewunderung für die Jungen, die inhalieren ohne zu husten. Meine Güte schmeckt das eklig. Doch ich gebe nicht auf. Der nächste Zug, etwas vorsichtiger inhaliert, und nicht ganz so tief. Kratzt im Hals, aber kein Husten. Gut, ich bin auf dem Weg. Der letzte Zug ist getan und mir ist nicht übel geworden, kein Husten mehr und Durchfall habe ich auch nicht. Jetzt nur noch alle Spuren beseitigen, damit die Mutter nichts merkt. Badezimmer gelüftet, Hände gewaschen und Zähne mindestens zehn Minuten geputzt. Jetzt merkt niemand mehr, dass ich geraucht habe. Ich bin total stolz auf mich.

Damals war ich 15 Jahre jung. Wenn ich gewusst hätte, wie mich diese erste Zigarette versklaven würde, hätte ich sie nie geraucht.

Die nächsten zwanzig Jahre hatte ich mir keine Gedanken um das Rauchen gemacht. Mir ging es gesundheitlich gut und das Rauchen war gesellschaftlich akzeptiert. Überall durfte geraucht werden und niemand machte sich Gedanken um seine eigene Gesundheit, noch um die der anderen.
Doch dann begann irgendwann der morgendliche Husten und der erste Gedanke ans Aufhören. Die Werbung versprach Erfolge durch Kaugummis, Pflaster oder Lutschbonbons. Es half nichts!

Der Husten wurde schlimmer und die Belastbarkeit nahm ab. Mal schnell zum Bus rennen war nicht mehr möglich. Wenn der Aufzug ausfiel, konnte ich nur mit allergrößter Mühe und nur mit Pausen auf jedem Stockwerk nach oben in eine Wohnung gelangen. Mit meinem Enkel herumtoben war nicht mehr möglich, da ich sofort nach Luft rang, sobald ich ihm auch nur fünf Meter hinterher laufen musste.

Mein Zigarettenkonsum hatte sich in der Zwischenzeit auf mehr als 20 Zigaretten täglich gesteigert und bei jeder Zigarette verfluchte ich diese. Aufhören, aufhören, aufhören war mein ständiger Begleiter. Dann kamen weitere Versuche: Akupunktur, Nichtraucher-Seminar mit psychologischer Begleitung. Und letztendlich Hypnose. Ich war verzweifelt und fragte mich, warum es nicht klappte, mich von den Zigaretten fern zu halten. Wie oft hatte ich schon gehört, dass es einfach nur einen eisernen Willen brauchte und einige aus meinem Umfeld hatten es sogar ohne jegliche Hilfe geschafft. Dazu kam, dass ich große Angst davor hatte, irgendwann mit Rollator und Sauerstoffflasche leben zu müssen. Das wollte ich auf gar keinen Fall. Doch, warum konnte ich das Rauchen einfach nicht lassen?

Im April 2014 führte ich dann ein eindringliches und ehrliches Gespräch mit mir selbst. Mir wurde klar, dass ich gar nicht aufhören wollte!!! Ich rauchte gern. Meine Idee war, dass ich rauchen könnte, ohne die ganzen gesundheitlichen Einschränkungen.

Zu dem Zeitpunkt wurde ich das erste Mal aufmerksam auf die Dampfe (E-Zigarette). Aus Neugier kaufte ich mir ein Starterset, das aus zwei Geräten bestand und dazu holte ich mir gleich noch zwei Fläschchen Liquid. Natürlich mit Tabakgeschmack und mit 18mg bzw. 12 mg/ml Nikotin. In der Zwischenzeit hatte ich einiges über das Dampfen im Internet gelesen und füllte mir den Tank gleich erst einmal mit 18mg/ml Nikotin-Liquid auf. Ganz vorsichtig zog ich schließlich am Mundstück und…hustete. Was sollte das denn? Das war ja wie bei meiner ersten Zigarette. Meine Vorfreude ließ merklich nach, als auch der Geschmack nicht besonders positiv ausfiel. Nein, das war wohl doch nichts für mich. Also erst einmal auf dem Balkon eine rauchen. Da fiel mir ein, dass es ja wohl auch noch Liquids mit anderem Geschmack gab, als Tabak. Am nächsten Tag dann also in ein Ladengeschäft und ausprobiert, was das Zeug hergab. Diese Vielfalt an Aromen erschlug mich fast und am Ende hatte ich dann ein Fläschchen Boysenbeere und eins mit Vanille-Geschmack in der Tasche. Der freundliche Verkäufer riet mir auch dazu, den Nikotingehalt zu reduzieren auf 12 mg/ml. Zuhause angekommen, wieder den Tank befüllt und…lecker. Das war richtig gut. An dem Tag rauchte ich noch zwei Zigaretten. Es war der 2. Mai 2014 und mein erster Tag als zukünftiger Nichtraucher. Ich konnte es nicht fassen. War ich doch mehr als 40 Jahre starke Raucherin und konnte mir ein Leben ohne Zigaretten schon gar nicht mehr vorstellen.

Ab dem zweiten Tag rauchte ich schon keine einzige Zigarette mehr und das Beste daran war, dass ich sie auch nicht vermisste. Ich hatte einfach gar kein Verlangen zu rauchen.

Von da an ging es mir gesundheitlich rapide besser. Nach 3 Tagen kein Husten mehr. Die Treppen konnte ich bis zum 2. Stock gehen, ohne eine Pause einzulegen. Ich war (und bin) begeistert. Das hätte ich nie für möglich gehalten. Mein Geruchs- und Geschmackssinn verbesserten sich von Tag zu Tag. Meine Haut wurde rosiger und das gelbe von den Fingern verschwand. Ich konnte auf der Arbeit meine „Dampfpause“ machen und niemand roch etwas. Ich gewann zunehmend an Selbstbewusstsein und dampfte immer öfter auch in der Öffentlichkeit. Dampfen wurde mich zum Hobby und heute erfreue ich mich an unzähligen schönen Geräten und an der Vielfalt der Aromen. Ich kann somit aufrichtig bestätigen, dass Aromen wie Apfel, Vanille und Himbeer-Limonade oder Schokolade und Zuckerwatte für mich als Erwachsene sehr attraktiv sind.

Doch es gibt auch einen Wermutstropfen. Die WHO und das DKFZ, vertreten durch Frau Pötscke-Langer, lassen über die Medien verbreiten, dass die Nutzung der Dampfgeräte (E-Zigaretten) genauso schädlich sei wie das Rauchen, und dass es keine verlässlichen Studien gäbe, die nachweisen, dass das Dampfen gesundheitlich unbedenklicher sei, als das Rauchen. Mit ein wenig Internet-Recherche lassen sich jedoch einige Hundert Studien finden, die der Dampfe eine weitaus geringere Schädlichkeit bescheinigen als dem Rauchen.

Und die größte Sorge bereitet mir die EU-Richtlinie, die die E-Zigarette soweit regulieren soll, dass sie für umsteigewillige Raucher ungeeignet wird. Die Dampfgeräte der 2. und 3. Generation soll es danach nicht mehr geben. Diese Richtlinie (Tabakproduktrichtlinie 2, Artikel 20) wird dafür sorgen, dass die neuen Dampfgeräte vom Markt verschwinden. Es werden dann nur noch E-Zigaretten erhältlich sein, die von der Tabakindustrie produziert werden. Was das bedeutet, kann sich wohl jeder selbst denken. Die Tabakindustrie will ihre Kunden bei der Tabakzigarette halten. Und das schaffen sie auch, denn die E-Zigarette von denen ist schlicht und einfach nicht zum Umsteigen geeignet. Über diese Entwicklung wird sich nur die Tabakindustrie freuen, nein, auch die Pharmaindustrie wird daran verdienen, denn die können dann weiter ihre unwirksamen Nikotinersatzprodukte verkaufen. Und unser Finanzminister wird sich ebenfalls die Hände reiben. Denn er wird weiter an der Tabaksteuer verdienen.

All diesen Institutionen sind die Menschenleben gleichgültig, die sie auf dem Gewissen haben werden, weil Raucher weiter rauchen und an den lebensgefährlichen Krankheiten versterben werden.

Rosie Murphy, München