Meine vier Jahre jüngere Schwester und ich waren früher beide starke Raucherinnen und entsprechend resignierend überzeugt, es zu bleiben.

Selbst war ich 2010 zufällig im Netz auf die eZigarette gestoßen und später – für mich ganz überraschend – sogar ganz umgestiegen.

Während ich allein suchen und mir alles selbst aneignen musste, hätte Sonja es leichter haben können. Sie mochte nicht – nicht mal probieren. Obwohl sie doch inzwischen etwas kurzatmig war, wunderte ich mich, beließ es aber dabei.

Knapp zwei Jahre ist es her, als mein Schwager plötzlich anrief. Sonja sei mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht worden, weil sie keine Luft mehr bekam.

Abgemagert und mit der Diagnose COPD kam sie aus der Reha zurück. Ins Schlafzimmer zog ein stationäres Sauerstoffgerät ein und unterwegs nutzte sie – obwohl sie sich furchtbar genierte – ein mobiles.

Während und nach der Reha wurden mir unsere Gespräche fast zur Qual; Ihr einfühlsam zuzuhören, wie sie sich immer wieder belog. Erst wollte sie immer und immer wieder mit dem Rauchen ganz aufhören, dann wollte sie sich auf eine bestimmte kleine Stückzahl einpendeln. – Tausend Gedankenspielchen, die ich nur zu gut von mir selbst noch kannte.

Mein Genesungsgeschenk (zwei gute Einsteigersets) lehnte sie regelrecht erschrocken ab.

Sowohl im Krankenhaus, wie in der Reha und auch später bei den Ärzten wurde dieser kranken Frau vermittelt, dass sie an ihrem Zustand selbst schuld sei und übrigens, dass die eZigarette noch schädlicher wäre.

Meine Links zu Studien, die solche Vorurteile widerlegen, nutzte Sonja nicht. Auch an anderen Formaten und Kontakten zu diesem Thema hatte sie keinerlei Interesse.

Da ihre Krankheit sich so sehr auf ihren Alltag auswirkte, ging uns sonstiger Gesprächsstoff so langsam aber sicher aus.

Sonja wurde von ihrer Schwägerin zu den diversen Terminen gefahren und hinterher machten sich die beiden ein paar schöne Stunden in der Stadt.

Diese offensichtlich enger werdende Beziehung gönnte ich Sonja von Herzen und fand es daher nicht schlimm, dass unser Kontakt irgendwann ein wenig eingeschlafen war.

Zu ihrem Geburtstag schrieb ich ihr aber natürlich eine Mail.

Dass sie nicht antwortete, fand ich zwar schade, respektierte es aber.

Irgendwann ritt mich die Neugierde. Sonja war ja eigentlich kein sonderlicher Freund des Internets. Aber durch ihren etwas eingeschränkteren Aktionsradius könnte sich das ja inzwischen geändert haben. Vielleicht würde ich also beispielsweise in einem Handarbeitsforum von ihr lesen.

Ich suchte erst mal nach ihrem Nick. Nichts.

Doch mit ihrem vollen Namen wurde die Suchmaschine dann überraschend fündig: Unter standesamtlichen Todesanzeigen im Gemeindeblatt ihres Dorfes.

Jutta